„Da muss irgendwie noch Leben hinein“

Betreiber-Enkel Bernd Richefort lässt sein Modell des abgerissenen Café Orient um Außengelände erweitern

16. September 2004, Wiesbadener Kurier (bra)

„Es ist verblüffend, wie echt das alles aussieht“. Wenn Bernd Richefort von seinem Modell des Café Orient zu erzählen beginnt, dann kommt er aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Für rund 15.000 Euro hat der Enkel des ehemaligen Betreiber-Ehepaars des 1964 abgerissenen Wiesbadener Kult-Cafés, das einst Unter den Eichen stand, ein Holz-Modell im Maßstab 1:25 im thüringischen Ruhla nachbauen lassen. Nun ist die Mini-Ausgabe des imposanten Gebäudes im türkisch-arabischen Stil fertig. Auf einer 1,20 Meter mal 1,20 Meter großen Holzplatte scheint das Café in einer 90 Zentimeter hohen Version wieder auferstanden zu sein. Mit Liebe zum Detail haben die Thüringer Tüftler des Erlebnisparks „Mini-a-thür“ das prächtig verzierte Haus rekonstruiert – und dabei nicht auf kleine Türklinken, feinste Ornamente und zarte Geländer verzichtet.

Derzeit steht das farbenfrohe Modell noch bei Bernd Richefort. „und wir haben auch schon kleine Nachbesserungen vorgenommen“, sagt er. So habe er erst vor kurzem ein Farbbild des Cafés erhalten, auf dem die maurischen Zinnen abwechselnd in rot und blau erstrahlen – „die haben wir am Modell nun umlackiert“.

Dem Stadtmuseum und Fachhochschul-Designer Edgar Brück wurde das Modell schon vorgestellt, denn Richefort würde es später gerne einmal im geplanten Stadtmuseum unterbringen. Und Brück plane noch in diesem Herbst mit einem seiner Kurse Unter den Eichen eine Aktion zum Café Orient, weiß der Betreiber-Enkel.

Doch so ganz zufrieden ist Richefort mit dem Modell noch nicht. „Allein wirkt es so tot“, meint er, „da muss irgendwie noch Leben hinein.“ Deshalb wir er es im Oktober oder November wieder nach Ruhla bringen, damit ihm die Fachleute des dortigen „Mini-a-thür“-Parks Leben einhauchen. Nach Richeforts Wunsch soll das Grundstück um das Café herum dem Bauplan entsprechend nachgestaltet werden. „Da fehlen Tische und Bänke des Biergartens, der Zaun gehört dazu ebenso wie die großen Eichenbäume und die Straßenbahn“, meint der Enkel des einstigen Betreibers. Auch sollen kleine Figuren die Szenerie bereichern: „Frauen, die mit Schirmchen in der Sonne sitzen, oder Kinder, die spielen“, wünscht er sich.

Um möglichst viel von der Geschichte des 1900 eröffneten Cafés vermitteln zu können, ist Bernd Richefort auch bemüht, originale Erinnerungsstücke aus dem Café Orient zusammenzutragen. Bilder, Postkarten, Besteckteile und Tablett hat er schon. „Und neulich rief eine Dame an, der ich bereits vier alte Stühle aus dem Café zu verdanken habe“, erzählt Richefort. Sie habe ihm erzählt, dass sie auf einem Sperrmüllhaufen in der Goebenstraße einen Stuhl entdeckt habe, der ihren aus dem Café absolut gleiche. Spontan fuhr sie mit dem Fahrrad hin und sicherte für den Betreiber-Enkel das alte Sitzmöbel. Richefort nimmt an, dass noch viele Souvenirs aus dem Café seiner Großeltern in Privathaushalten schlummern, „viele wissen wahrscheinlich gar nicht, dass die Stücke aus dem Café Orient stammen“. Wie gerne würde er sie zusammentragen für eine Ausstellung im Stadtmuseum. „Ich will die Dinge ja gar nicht behalten“, betont er, „sie sollen nur den Wiesbadenern ein wenig Geschichte dieses wunderbaren Cafés vermitteln.“

So hat ihm jüngst eine ältere Dame ein Foto vermacht, das laut rückwärtiger Aufschrift am 18. April 1942 anlässlich des Kameradschaftsnachmittags der Wiesbadener Pelzwaren-Firma Albert Offszanka aufgenommen wurde. „Vielleicht erkennt sich ja jemand auf dem Foto“, hofft Richefort, „und kann uns weitere Informationen zum Café geben.“ Denn der rührige Betreiber-Enkel arbeitet derzeit auch an einem Buch über die Geschichte des Cafés, das durch Anekdoten, Erinnerungen und Fotos aufgepeppt werden soll.

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