Auf der Suche nach dem hessischen Orient
Bernd Richefort, dessen Großvater einst das noble maurische Café gehörte, möchte darüber ein Buch schreiben
12. August 2004, Frankfurter Rundschau (Margit Fehlinger)
Alte Postkarten zeugen von seiner einstigen Pracht: Das Café Orient war ein paar Jahrzehnte lang Treffpunkt der Hautevolee im weltberühmten Kurort. 1964 wurde das maurische Gemäuer abgerissen. Geblieben sind nur ein paar Erinnerungen an noble Zeiten, die Bernd Richefort gern bewahren möchte.
Wiesbaden. 11. August. Ein Traumschlösschen in verschwenderischer Pracht, das Schehezerade in Tausend und einer Nacht nicht prunkvoller hätte ausschmücken können – und ebenso vergänglich wie die Zeit, die es repräsentierte: Das Café Orient, im maurischen Stil erbaut, galt ein paar Jahrzehnte lang im damals weltberühmten Kurort als mondäner Treffpunkt der Reichen und Schönen. Doch mit dem Niedergang der einst renommierten Badestadt versank auch das Nobel-Etablissement Unter den Eichen in der Bedeutungslosigkeit: Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte es einen Kostümverleih und einen Schädlingsbekämpfer, eine Ballettschule und ein buntes Völkchen von Artisten und Zirkusleuten, das dort sein Domizil aufgeschlagen hatte. 1964 musste es einem siebenstöckigen Wohnhaus weichen – aus der Traum vom orientalischen Ambiente im Hessischen.
Zumindest für Bernd Richefort ein trauriger Verlust. Denn den Wiesbadener Gebäudereiniger verbinden familiäre Reminiszenzen mit dem originellen Kaffeehaus, das vor gut 100 Jahren vom Hofkoch Kaiser Wilhelms, Alfred Georgi, erbaut wurde. Bernd Richeforts Großvater Georges, ein Franzose, hatte es 1914 zunächst gepachtet und später gekauft – wirtschaftlich gesehen ein Desaster. Denn der Glanzzeit des Cafés folgte während der Weltwirtschaftskrise 1929 der finanzielle Absturz. Geblieben sind der Familie Richefort ein paar feine Silberbestecke und edle Porzellanteller – und spärliche Erinnerungen an Blüte und Pleite.
Bernd Richefort weiß zum Beispiel, dass marokkansiche Arbeiter das illustre Café samt Restaurant nach den Plänen des Wiesbadener Architekten Carl Dormann errichtet haben. Und auch, dass der orientalische Baustil damals „in“ gewesen sei. Schließlich, dass das Café Orient in seinen besten Zeiten sogar in Reiseführern stand.
Das alles will Bernd Richefort demnächst in einem Buch veröffentlichen. Inspirieren lässt er sich bei der Recherche über den Familienbetrieb von einem Modell des maurischen Märchenschlosses, das er im Maßstab 1:25 für 15.000 Euro von einer Thüringer Firma hat zimmern lassen. Dieses Replikat aus Holz im Miniformat, das an Wiesbadens Blütezeit erinnere, möchte er gern dem künftigen Stadtmuseum überlassen.
Nun sucht er Wiesbadener, die sich noch an das Café Orient und seine berühmten Gäste erinnern können. Denn wer dort Torte löffelte, Tee oder Champagner schlürfte oder an vornehmer Tafel speiste, ist nicht überliefert. Ob zum Beispiel Kaiser Wilhelm, der Wiesbaden viele Jahre mit seinem Besuch beehrte, auch seinem einstigen Koch die Referenz erwies, wüsste Bernd Richefort allzu gern. Sicher ist nur, dass die weniger betuchten Wiesbadener kaum jemals einen Fuß ins Café Orient setzten. Sie pflegten im gegenüber liegenden Ausflugscafé Ritter einzukehren. Dort konnte man zur Brause getrost sein Butterbrot auspacken, ohne scheel angeguckt zu werden.