Arbeiter hatten große Probleme

Vor 40 Jahren wurde das Café Orient Unter den Eichen abgerissen

17. April 2004, Wiesbadener Tagblatt (Bertram Heide)

In einer prägenden Phase der Wiesbadener Stadtgeschichte hatte der maurische Baustil eine gewisse Tradition. Das Café Orient entstand auf diese Weise ebenso wie die Synagoge am Michelsberg.

Das jüdische Gotteshaus wurde in der so genannten Reichspogromnacht 1938 von den Nazis zerstört. Am 16. April 1964 fielen die letzten Mauerreste des Café Orient Unter den Eichen. Architektonisch erinnert heute nur noch die Trauerhalle auf dem Nordfriedhof an die maurische Bauweise.

Nach der Aufgabe des Cafés verkam das Gebäude bis zum Abriss und diente zuletzt als Schlafplatz für Stadtstreicher. Als schließlich Arbeiter mit Baggern und Spitzhacken anrückten, sahen sie sich schnell vor massive Probleme gestellt, erinnert sich Bernd Richefort, der Enkel des Caféhaus-Erbauers. Grund: Das Gebäude war zu massiv gebaut.

Richeforts Großvater Alfred Georgi, einstiger Hofkoch von Kaiser Wilhelm II., hatte sich mit dem hochherrschaftlichen Café am Stadtrand einen Lebenstraum erfüllt und wohnte auch dort. Sein Enkel kann sich heute noch an fröhliche Kindertage erinnern, als er mit seinen Geschwistern im Garten des Caféhauses spielte.

Bernd Richefort will die Erinnerung an das Orient wach halten. Im Hauptberuf als Fensterputzer im Ein-Mann-Betrieb tätig, opfert er seine Freizeit für ein besonderes Projekt (wir berichteten): Inzwischen ist ein Modell des Cafés fast fertig und soll jetzt noch um Gärten rechts und links des Gebäudes und um die Original-Vorderansicht mit Zaun, Straße und Straßenbahn erweitert werden.

Für das kommende Jahr ist eine Ausstellung über das Café mit Original-Exponaten und dem Modell geplant. Rechtzeitig soll zudem ein Buch über Geschichte und Geschichten des maurischen Baus vorliegen. Die Wiesbadener Historikerin Brigitte Forßbohm wird das Buch herausgeben.

Rund 15.000 Euro wird allein das Modell kosten, das in einer Werkstatt im thüringischen Ruhla entstanden ist. Interessierte Wiesbadener sind aufgerufen, sich mit einer Spende an dem Projekt zu beteiligen. Das Café soll damit nicht nur den alten Wiesbadenern in Erinnerung bleiben. Eine lobenswerte und auch durchaus nachahmenswerte Einzelinitiative: Gerade das geplante Stadtmuseum könnte von ähnlichen Initiativen profitieren. Sichtbar gemachte Stadtgeschichte, dafür ist das Projekt Café Orient beispielhaft. Das Modell selbst, so hofft Richefort, könnte in Erinnerung rufen, was einmal vor 40 Jahren ohne Not einfach platt gemacht wurde.

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