„Ich will's ja nur fotografieren!“

Betreiber-Enkel Bernd Richefort sucht Erinnerungsstücke vom Café Orient / Modell wächst

27. November 2002, Wiesbadener Kurier (Nicola Brauch)

Stückchen für Stückchen entsteht im thüringschen Ruhla das Holz-Modell des Wiesbadener Café Orient. Hier die Rückseite des beliebten Ausflugsziels, das 1964 abgerissen wurde.

Das 1964 abgerissene Café Orient will Bernd Richefort für die Nachwelt zumindest gedanklich erhalten. Hierfür lässt er derzeit ein Modell anfertigen, das später einmal mit einigen Erinnerungsstücken zusammen das Stadtmuseum zieren soll.

Ganz langsam nimmt es Formen an, das Modell des Café Orient, das Bernd Richefort derzeit im thüringischen Ruhla bauen lässt. „Die Rückseite steht schon, und die Eingangssäulen werden gerade gedrechselt“, freut sich der Enkel der einstigen Betreiber des 1964 abgerissenen Gebäudes. „Wenn ich in zwei Wochen wieder hinfahre, dann arbeiten die Modellbauer gerade an der Front.“ Seit Jahren sammelt der Wiesbadener, dessen Großeltern Lina und Georges Richefort zwischen 1914 und 1929 das Café in dem palastartigen Gebäude im maurischen Stil führten, alles zum Thema.

Neben Fotos und Bauplänen besitzt er auch Besteck, Tabletts, Teegläser und anderes. Vier Stühle, die einst die Veranda des beliebten Ausflugsziels Unter den Eichen zierten, nennt er nun auch sein eigen. Die hat ihm ein Sammler geschenkt, als er hörte, dass Richefort eine Ausstellung zur Historie des Café erarbeitet.

Zentrale dieser Idee ist das besagte Modell im Maßstab 1:25, das im Frühjahr fertig werden soll. Dies möchte Richefort dann als Dauerausstellung installieren – „am liebsten im Stadtmuseum, damit es jedem zugänglich ist“. Neben dem 1,20 mal 1,20 Meter großen und 1,50 Meter hohen Modell sollen Erinnerungsstücke die Ausstellung zieren, Fotos und Anekdoten die Geschichte transportieren. Und so sucht der Enkel fleißig nach Überresten. „Ich will die Dinge ja gar nicht haben“, sagt er, „mir reicht es, sie fotografieren zu dürfen.“ Jetzt hofft er, dass der Eine oder Andere auf dem Speicher oder im Keller noch Souvenirs aus dem beliebten Treff findet und sich meldet.

15.000 Euro kostet das Café im Modell-Format. Richefort möchte gerne auch die Umgebung mit Straßenbahn und Gartenlokal verewigen. Deshalb hat er Postkarten des Cafés anfertigen lassen, die er im Dreierpack für fünf Euro verkauft. „Es wäre doch schön, wenn ein wenig Geschichte dieses Kleinods auch der Nachwelt erhalten bliebe“, meint er. Erst vor Kurzem hat er das Grab seiner Großeltern auf dem Nordfriedhof, das unter Denkmalschutz steht, restaurieren und eine Gedenktafel anbringen lassen. Stadthistoriker Wolli Herber will es in seine Friedhofsführung mit aufnehmen, berichtet er.

Und noch einen Mitstreiter in Sachen Modell hat Richefort inzwischen gefunden: den Design-Dozenten Edgar Brück, der nun über ihn in Ruhla prüfen lassen will, was ein Modell der Alten Synagoge kosten würde. „Das wäre doch eine tolle Idee, wenn alle vergessenen Orte in Wiesbaden, wie Café Orient, Alte Synagoge oder der Uhrturm irgendwann zumindest in Modellform der Nachwelt erhalten blieben.“

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