Zwei Turmspitzen schmückten Garten

Stadtmuseum: Interessantes Exponat aus dem alten Café Orient

6. März 2012, Wiesbadener Tagblatt (Bertram Heide)

Wiesbaden. Es ist schon manchmal abenteuerlich, wie er in den Besitz von Exponaten des alten Café Orient gelangt. Bernd Richefort, Enkel von Alfred Georgi, der das legendäre Traditionscafé „Unter den Eichen“ einstmals erbaute, hält die Erinnerung an die Lokalität wach, versucht dem Ganzen mit seiner Sammlung auch wieder Leben einzuhauchen.

Dem Stadtmuseum übergab er jetzt eine der drei Turmspitzen, die das Café einst schmückten, bis es am 16. April 1964 abgerissen wurde. Zwei der 2,50 Meter hohen Turmspitzen „zierten“ später jahrelang einen Wiesbadener Garten, bevor sie Richefort seiner Sammlung hinzufügen konnte. 

Große Freude bei Dr. Hans-Jörg Czech, de Gründungsdirektor des Stadtmuseums. „Diese Turmverzierung aus bemaltem Zink ist typisch für die Zeit des Historismus, wo man mit alten Formen spielte, um daraus etwas Neues zusammenzusetzen und zu entwickeln. Orientalische oder auch maurische Elemente entsprachen damals dem Zeitgeschmack.“ Die Turmspitze sei deshalb ein besonders interessantes Objekt, weil man sonst aus dieser Zeit meist nur Fotos oder Postarten vorfinde, kaum aber originale Bauteile. Schon fast eine kleine Sensation also.

Originale, dazu weiß Bernd Richefort wiederum eine abenteuerliche Geschichte. Ein Busfahrer, der am Abrisstag immer wieder die Strecke bis zum Nordfriedhof fährt, sichert sich – gegen ein paar Flaschen Bier für die Bauarbeiter – Kacheln mit maurischem Muster, damals bereits eine Rarität. Später verkauft er seinen „Schatz“ an einen niederländischen Sammler. Unwiederbringlich verloren sind die Kacheln; damit beispielsweise auch für eine Ausstellung zum Café Orient, über die Gründungsdirektor Dr. Czeck und Dr. Bernd Blisch, der Leiter des Projektbüros Stadtmuseum, gerade nachdenken.

Richefort ist inzwischen der einzige noch lebende Enkel des Bauherrn. Bruder Manfred verstarb 2010,  Bruder Georg erst vor kurzem. Die Sammlung des alten Familienerbes, das später einmal vollständig dem Stadtmuseum zur Verfügung gestellt werden soll, setzt er jedoch unverdrossen fort. Dabei helfen ihm seine vielfältigen Kontakte, feiert er doch in diesem Jahr mit seinem Unternehmen als Fensterputzer 40-jähriges Betriebsjubiläum. Bei seiner Suche ist er auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen.

Der orientalische Stil des Cafés habe sicherlich eine besondere Attraktivität auf die Gäste der Stadt ausgeübt, sind sich die Experten im Stadtmuseum sicher. „Es gab damals unter den Eichen die verschiedensten Cafés für die unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten. Das Café Orient war auf jeden Fall das repräsentativste“, ist Dr. Hans-Jörg Czech überzeugt. Die Turmspitze, das jüngste Exponat des Stadtmuseums, sei jedenfalls „ein Stück dokumentierte Stadtgeschichte“.

Aber, wer baute solche Turmspitzen damals aus Zinkblech und bemalte sie zeitgemäß? „Das war sicherlich eine Wiesbadener Firma. Der Name müsste auf der Liste der 20 Gläubigerfirmen zu finden sein Das waren Handwerker, die noch Rechnungen beim Café offen und Geld zu bekommen hatten“, weiß Sammler Bernd Richefort. Dr. Hans-Jörg Czech ist sich ebenfalls sicher: „In der Hochzeit des Historismus gab es mit Sicherheit viele Handwerkerfirmen vor Ort, die die entsprechenden Arbeiten am Bau auch ausführen konnten.“ Spezialisten eben, wie sie heute bei Restaurierungen oftmals wieder verzweifelt gesucht werden.

 

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